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Nanu na dann…: Münsters Anzeigenblättchen wird kontrovers

Das kleine Anzeigenblättchen na dann… gehört zu Münster, wie betrunkene BWL-Studenten auf dem Weihnachtsmarkt oder das nahezu unauflösbare Fahrrad-Mikado vor der Aasee-Mensa. Bevor Online-WG-Börsen wie wg-gesucht.de den Markt übernahmen, lief quasi der gesamte münsteraner Wohnungsmarkt über das zu Semesterwechsel daumendicke Heft im praktischen A6-Format. Noch immer (oder zumindest bis zum Beginn der Corona-Krise) findet man es zuverlässig Woche für Woche in der Küche jeder ordentlichen münsteraner Wohngemeinschaft, denn es ist der wichtigste Veranstaltungskalender der Stadt. Nahezu sämtliche Termine vom Kino- und Konzertprogramm bis hin zu den regelmäßigen Treffen queer-feministischer Selbsthilfegruppen, Meditationskurse und der Fahrradflohmarkt sind darin verzeichnet.

An der na dann… kommt man in Münster nicht vorbei – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Ausgeliefert wird das Heft mit einer ganzen Flotte von wuchtigen Lastenrädern, die gefühlt etwa doppelt so breit sind, wie die schmalen Wegelchen, die man in Münster dem wichtigsten Verkehrsträger zumutet.

Presseausweis: Das kleine, feine Editorial der na dann…

Seit vielen Jahren hat sich in der na dann… auch ein kurzes Editorial auf der dritten Seite etabliert: Der sogenannte Presseausweis. Hier äußern sich mal mehr oder weniger prominente Stimmen des münsteraner Mikrokosmos zu den großen und kleinen Themen aus Münster und der großen, weiten Welt. Zu den regelmäßigen Autoren des Presseausweis gehören etwa der münstersche CDU-Politiker Rupprecht Polenz oder der ehemalige Chefredakteur von Münsterscher Zeitung und Emder Zeitung, Stefan Bergmann.

Die weitaus meisten Beiträge für den Presseausweis hat aber Arno Tilsner als Herausgeber der na dann… verfasst. Aus der Ferne betrachtet hinterlässt Tilsner in seinen Kommentaren und auf seinem Facebook-Profil den Eindruck eines typischen Vertreters des eigentümlich münsterschen Stadt-Unternehmertums. Es ist eine Mischung aus grundsolider, konservativer Geschäftsführung und einer grün-verantwortungsbewussten Offenheit für Neues. Tilsner hat mit seiner na dann… seit jeher der Regenbogenbewegung eine Plattform zur Vernetzung geboten, noch Jahrzehnte bevor es das Internet gab. Auf seinem Facebook-Account kann man seine Begeisterung für erneuerbare Energien nachvollziehen – anhand ausführlicher Datenreihen der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des eigenen Ferienhauses am Mittelmeer.

Weg in die Kritik? Der zweite Lockdown trifft die na dann…

Tilsner gehört damit zu den Menschen, bei denen es nahezu unmöglich sein dürfte, sie irgendwie in der rechten Ecke abzustellen. Um so beunruhigender ist das, was Tilsner und seiner na dann… innerhalb der letzten Tage und Wochen widerfährt:

Im Laufe des Jahres 2020 hatte Tilsner den Regierungskurs noch mitgetragen, doch ab dem Jahreswechsel 2020/21 werden seine Beiträge zunehmend maßnahmenkritischer: Da der gesamte Kulturbereich erneut im Lockdown sitzt, gibt es aus dieser Richtung nahezu keine Inserate mehr. Durch sein Interesse an Solarenergie in der Interpretation von Zahlen geschult, erkennt Tilsner zutreffend, dass mit den damals geltenden Inzidenzgrenzen ein monatelanger Dauerlockdown unausweichlich ist. Auch für sein Blatt wird das zunehmend eine Herausforderung: Die na dann… ist zu diesem Zeitpunkt nur noch ein erschreckend dünnes Heftchen.

Ende Sommer 2021 äußert sich Tilsner – selber mehrfach geimpft – dann deutlich ablehnend gegenüber der Einführung der deutschen Impf-Apartheid:

Der Plan stinkt. Er ist widerwärtig deutsch, weil mit ihm erneut die scharfe Ausgrenzung eines zuvor stigmatisierten Teils der Gesellschaft politisches Programm wird.

Arno Tilsner, Presseausweis vom 25.08.2021

Fehlende Ausgewogenheit kann man ihm dabei nicht vorwerfen. Seine Mitschreiber Bergmann und Polenz sind weiterhin völlig unkritisch auf Regierungskurs. Um die Jahreswende 2021/22 kommt es deswegen zu einem spektakulären Schlagabtausch zwischen Bergmann und Tilsner.

Der Hintergrund: Anfang Dezember veröffentlichte die na dann… im Anzeigenteil einen Aufruf des Bündnisses Gemeinsam für Grundrechte zur Teilnahme an den Montagsspaziergängen. Mitinitiator dieses Bündnisses ist Peter Balint, wohl ein alter Schulfreund Tilsners. Tilsner machte sich daraufhin selbst ein Bild von den Montagsspaziergängen – und rief danach in seinem nächsten Presseausweis gleich selbst zur Teilnahme an den Spaziergängen auf.

Anzeigenblatt im Shitstorm

So viel Verständnis für die Montagsdemonstrationen konnte natürlich nicht folgenlos bleiben. In der ersten Februarwoche 2022 erreichte die Redaktion der na dann… eine ellenlange, wortreiche E-Mail der münsterschen Ortsgruppe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) mit regelrechtem Veröffentlichungsbefehl.

Die Mail, die Tilsner auf seinem Facebook-Account im Volltext eingestellt hat, ist zugegebenermaßen nur schwer erträglich. Es handelt sich im Kern erneut um jenen seit zwei Jahren immer wieder aufgewärmten Kontaktschuld-Vorwurf, weil auch in Münster bei den Montagsspaziergängen Menschen mitlaufen, die dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen sind. Eine ansatzweise Auseinandersetzung mit den Argumenten der Maßnahmenkritiker findet nicht statt.

Schnell sind die lokalen politischen Jugendorganisationen von SPD und Grünen der VVN-BdA beigesprungen. In einer launischen Presseerklärung haben sie der na dann… langjährige Inserate entzogen. Auch dort findet sich keine Wort der Auseinandersetzung mit den Sachargumenten der Maßnahmenkritiker – stattdessen wird vorgeworfen, dass die na dann… doch völlig unausgeglichen schlechten Journalismus betreiben und – was noch unverfrorener ist – antisemitischen Verschwörungstheorien Vorschub leisten würde.

Bereits bevor die Kündigungen durch die regimetreuen Jugendorganisationen der beiden Regierungsparteien in der Redaktion eingegangen waren, war die nächste Eskalationsstufe in diesem Streit bereits in Druck. Der aktuelle Presseausweis ist ein Gastbeitrag des Bielefelder Politikwissenschaftlers Dr. Björn Goldstein. Er ist außergewöhnlich ausführlich und geht über drei Heftseiten – Stefan Bergmann wäre wohl turnusmäßig dran gewesen, hat aber seinen Platz freiwillig hergegeben.

Goldstein spielt den Antisemitismus-Vorwurf postwendend an Jusos und die grüne Jugend Kaktus zurück:

Die radikale Rechte ist dabei den Kampf um die Köpfe von Menschen zu gewinnen, die sich nicht mehr im politischen System repräsentiert fühlen. Das ist auch das Verdienst vom oberflächlichen rot-grünen Antifaschismus. Wer alle Teilnehmer*innen von Protesten gegen die Corona­-Politik der Regierung für Antise­mit*innen*, Rassist*innen, und Nationalist*innen hält, unterscheidet sich nicht besonders von jener unrühmlichen jungen Frau, die öffentlich behauptet hat, dass sie sich angesichts der Coronapolitik wie Sophie Scholl fühle. 

Dr. Björn Goldstein, Presseausweis vom 16.02.2022

Das sitzt. Die Mitglieder von Jusos und Kaktus plärren seit Monaten von mangelnder Solidarität und unterstellen jedem Maßnahmenkritiker mangelnde Abgrenzung zum rechten politischen Spektrum. Gleichzeitig scheitern sie daran, nennenswerten Gegenprotest zu mobilisieren. Nur wenige dutzend Menschen folgten ihrem Aufruf, sich den Spaziergängern entgegenzutreten. Dabei wäre es eher ihre Aufgabe, einerseits den eigenen Mutterorganisationen den Kampf anzusagen und andererseits einer angenommenen Unterwanderung der maßnahmenkritischen Spaziergänge von rechts durch das Angebot eigener maßnahmenkritischer Protestformen den Boden zu entziehen. Niemand könnte ihnen das verübeln, schließlich haben die Menschen unter 25 Jahren am meisten unter den Coronamaßnahmen gelitten. Ganze Kindheiten und Lebensentwürfe sind ihnen geopfert worden.

Stattdessen wurde aus dieser Richtung massiv für die 2G-Apartheid geworben. Bei Treffen der Jusos galt wohl zum Teil eine strenge 2g+-Regelung – kein Wunder, dass man unter diesen Bedingungen nicht mit Maßnahmenkritikern in Berührung kommt.

Kaktus und Jusos tragen erhebliche Schuld an Hetze und Ausgrenzung gegen Ungeimpfte – was in eklatantem Widerspruch zum eigenen Anspruch steht. In der Selbstbeschreibung auf der Homepage von Kaktus heißt es etwa:

Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, an der alle Menschen teilhaben können und die sich um alle Personen kümmert. Wir stehen für Toleranz und Akzeptanz für verschiedene Lebensentwürfe und unterschiedlichste Menschen.

Homepage Kaktus

Und weiter:

Wir positionieren uns klar gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Diskriminierung auf Grund geschlechtlicher oder sexueller Identität.

Homepage Kaktus

Hier spiegelt sich in der westfälischen Provinz jene Heuchelei wieder, die aus dem politischen Berlin nur all zu bekannt ist: Eine Partei, die auf dem Ticket der Frauenqoute eine Transsexuelle in den Bundestag schickt und sich für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stark macht, erkennt die körperliche Selbstbestimmung bei Impfungen nicht an und versündigt sich an massivster Diskriminierung und Ausgrenzung Ungeimpfter. Jedem wachen Geist kommen hier sofort Assoziationen mit beispielsweise dem Antisemitismus der Kaiserzeit oder der Rassentrennung der amerikanischen Südstaaten auf.

Genau so bezeichnend ist, dass dieser hochgradig kontroverse Diskurs anscheinend nicht in den Leitmedien Münsters stattfindet, also den Westfälischen Nachrichten, der WDR Lokalzeit oder dem Radiosender Antenne Münster. Ausgerechnet eines der oft belächelten lokalen Anzeigenblättchen ist überhaupt noch in der Lage, dem Diskurs den notwendigen Raum zur Verfügung zu stellen.

Right Said Fred sind also derzeit die kontroverseste Pop-Band aus UK und die Nadann… ist die Speerspitze des münsterschen Lokaljournalismus.

Wir leben in spannenden Zeiten.

3 Kommentare

  1. Tom Tom 23. Februar 2022

    Lieber Rasmus Richter,
    vielen Dank für Deinen Artikel!
    Mein selbst gemaltes Transparent, das ich bei der nächsten Montags-Demo gegen die Impfpflicht in Münster hoch halten werde, hat diesen Text:
    Nazis sind scheiße!
    Impfpflicht auch!
    Ich werde mich damit vor die durchdrehende Horde der sogenannten Antifa stellen und Ihnen den Spiegel vorhalten.
    Zum 1.1.2022 bin ich aus der LINKEn ausgetreten, weil der Bundesparteivorstand mit 12:8 Stimmen für eine allgemeine Impfpflicht gestimmt hat und weil die Jungen WIlden (haha!) der Ortsgruppe Münster „auf jeden Fall“ auch dafür sind.
    Nicht mehr meine Partei.
    Drehen die jetzt alle total durch?
    Hilfe!
    Tom aus Münster

    • Konrad Konrad 27. Mai 2022

      Durch Zufall über den Namen Arno Tilsner auf diesen Beitrag gestolpert.
      Gibt es tatsächlich kritisch, soziale und humane Geister in Deutschland?
      Immerhin ein Fünkchen.
      Hier in CH sind es statistisch ca. 30-40% der Bevölkerung, die noch Liberalität und Selbstbestimmung zu schätzen wissen.
      Projektiert auf DE könnten es auch dort auch ca. 25% sein, also eine beachtliche kritische Masse, die man nicht ignorieren kann.

      Immerhin hat uns diese Krise gezeigt, wen und was man im Ernstfall noch vertrauen kann und wen man misstrauen muss und dass Solidarität nichts mit Gefolgschaft zu tun hat, sondern aus freien Stücken aus dem Herzen kommt und nicht per Dekret einforderbar.

      Mut, Tatkraft und Schlauheit muss man in diesen Zeiten hart erarbeiten und leben, das ist der Weg.
      Die Corona – Affenpocken – Gesichtswindel- Fetischisten könne in freien Stücken in den Abgrund springen, sie haben aber nicht das Recht alle anderen mitzureißen.
      Geduld ist gefragt, nicht die Kritiker werden diesen Wahnsinn beenden, sondern die Betroffenen (Impfschäden, Arbeitslosigkeit, Depressionen, etc.), das geht auf ihre Kappe.

      Wir bleiben lieber auf der hellen Seite und leben, lassen leben und probieren was Neues aus, jetzt ist die richtige Zeit dafür.

  2. Manu B. Manu B. 23. Februar 2022

    Danke für diesen Beitrag! Tatsächlich mangelt es auch an Erlebnisberichte die das Tag tägliche Leid der Menschen widerspiegeln, die sich extrem bedroht fühlen durch die unreflektiert, aggressiv, schimpfende Maßnahmen Befürworter ! Hier mal 3 Beispiele: ich kann nicht geimpft werden, da bereits Impfschäden- durch das ständige Pöbeln und schreien „wir kriegen euch alle, lasst euch impfen….“ komme ich mir vor als würde man mich zum Selbstmord zwingen oder als stünde der Mord kurz bevor! Da komme ich mir vor als befinde ich mich in einer Todeszelle! 2. Bsp. Ich betreue eine Demente, gehörlose Dame und es ist ein Desaster mit ihr einkaufen zu gehen ! Sie wird angepöbelt wenn die Maske nicht richtig sitzt und sie kann mich nicht verstehen weil sie weder Gestik noch Lippenlesen kann- so ist jeder Besuch in der Öffentlichkeit ein Nervenkrieg verursacht durch die Masse! Letztes Bsp. Eine Bekannte von mir, Opfer ritueller Gewalt bekommt heftigste Panikattacken und Retraumatisierungen wenn sie die Maske tragen muss und angepöbelt wird! Wer die Formen des rituellen Missbrauchs kennt, ahnt was es sonst noch alles bedeutet! Mit dem politischen Maßnahmen Wahn ist keineswegs eine impffähigkeit aller Menschen eingetreten und es gibt auch unendlich viele Schicksale auf die Rücksicht genommen werden müsste! Aber darüber wird nicht berichtet und selbst wenn, was nützt es wenn eine pöbelnde Masse keine Rücksicht mehr nimmt! Solidarität ist keine Einbahnstraße und inzwischen dürfte jeder wissen, dass es nur noch um Unterwerfung geht auch rigoros auf kosten von zu schützenden Personen! Wir haben m. E. Eine neue Form globaler Maßnahmen Sekte – nur dass die die nicht dazu gehören können oder wollen leider bedroht werden! Manu aus Münster

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