Ganze drei Landkreise wiesen am 30. Mai 2021 gemäß RKI-Dashboard noch Inzidenzwerte von über 100 aus: Es handelte sich dabei um die beiden thüringischen Nachbarkeise Hildburghausen (128,2) und Sonneberg (100,5), sowie die ostfriesische Kleinstadt Emden (112,2) – Heimatstadt dieses Blogs. Auf den ersten Blick haben die beiden im fränkischen Teil Thüringens gelegenen Landkreise mit der Hafenstadt fast unmittelbar an der Nordseeküste wenig gemein. Auch hinsichtlich der sogenannten Corona-Pandemie könnten die Orte unterschiedlicher kaum sein. Hildburghausen gehörte bereits seit der „ersten Welle“ monatelang zu den bundesweiten Corona-Hotspots, während man sich in Ostfriesland lange Zeit vom „Killervirus“ verschont sah. Doch die drei Stadt- bzw. Landkreise haben eine Gemeinsamkeit, die man nicht auf den ersten Blick erkennt:
Alle drei Kreise gehören zu den bezogen auf die Einwohnerzahl dreißig kleinsten Landkreisen in Deutschland. Beachtet man nicht nur die ersten drei Plätze vom 30. Mai 2021, sondern die deutschen Inzidenz-Top-10, wird diese Gemeinsamkeit noch deutlicher. Auf den Plätzen fünf und sechs finden sich zwei kreisfreie Städte in Bayern: das schwäbische Memmingen (97,5) und Schweinfurt (97,3) in Unterfranken. Auf Platz 9 folgt dann Baden-Baden (85,2) in Baden-Württemberg. Auch diese drei Stadtkreise gehören zu den dreißig kleinsten Landkreisen in Deutschland.
Ein Zufall scheint dabei nahezu ausgeschlossen. In Deutschland gibt es insgesamt 401 Stadt- und Landkreise. Die Größenunterschiede sind gigantisch. Der kleinste deutsche Kreis ist die Kleinstadt Zweibrücken in Rheinland-Pfalz. Am anderen Ende der Skala liegt die Hauptstadt Berlin mit ihren über 3,5 Millionen Einwohnern. Inzidenztechnisch wird Berlin allerdings noch nach seinen Bezirken aufgeteilt. Rechnet man die Wahrscheinlichkeit aus, dass unter den Inzidenz-Top-10 zufällig sechs der kleinsten Landkreise in Deutschland auftauchen, kommt man auf einen Wert von 0,0017 Prozent. Das entspricht in etwa der Wahrscheinlichkeit von „fünf Richtigen“ im deutschen Lotto 6 aus 49.
Was benachteiligt die kleinen Landkreise?
Diese extrem niedrige Wahrscheinlichkeit eines Zufalls spricht deutlich dafür, dass es durch die Inzidenzregelung einen systematischen Nachteil für kleine Landkreise gibt. Dieser könnte sich beispielsweise durch größere Ausbrüche in Einrichtungen wie insbesondere Altenwohnanlagen ergeben. Man kann davon ausgehen, dass in Deutschland überall etwa gleich viele Plätze zur Versorgung von Menschen an ihrem Lebensabend vorhanden sind. Aber es bedeutet nicht, dass die Einrichtungen in größeren Landkreisen einfach größer sind. Es wird eher mehr Einrichtungen verteilt über das Kreisgebiet geben. Deswegen fällt ein Ausbruch in einem einzelnen Altenwohnheim oder Hospiz in einem kleinen Landkreis deutlich stärker ins Gewicht.
Übrigens: Solche statistischen Fallstricke sind für Emden nicht neu. Die Stadt gilt als „deutscher Meister“ der Ehescheidungen. Der Grund dafür ist profan. Der Gerichtsbezirk Emden ist deutlich größer, als das Stadtgebiet. Wer beispielsweise auf der Insel Borkum heiratet, muss zur Scheidung zum Amtsgericht Emden. Die Kreisgrenze zwischen Leer und Emden wird mit der Fähre passiert.
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